Aktuelles

KFA: Alles läuft auf eine erneute Verfassungsklage hinaus

Hirschhorn. So langsam verlieren die Kontrahenten ihre „Contenance“. Das mühsame und bisher vergebliche Bohren an einer Änderung des kommunalen Finanzausgleichs hinterlässt Spuren bei den betroffenen Bürgermeistern. Die hessische Landesregierung empfinden sie quasi als „beratungsresistent“. Deshalb zeichnet sich langsam aber sicher bei den Kommunalpolitikern eine Tendenz zum zivilen Ungehorsam ab – zusammen mit einer verbalen Aufrüstung. Zu beobachten beim Besuch des SPD-Landratskandidaten Gerald Kummer in Hirschhorn. Thema seines gut besuchten Vortrags auf Einladung der SPD Hirschhorn: eben jener besagte kommunale Finanzausgleich (KFA).

Gerald Kummer machte mit Rückgriff auf die hessische Verfassung deutlich, dass seiner Meinung nach derzeit einiges faul ist im Staate Hessen. Denn in Paragraph 137 stehe: „Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung.“ Anspruch und Wirklichkeit drifteten allerdings stark auseinander.

Den KFA charakterisierte der Kandidat als eines der wichtigsten Themen „mit Blick auf das Überleben der Städte und Gemeinden“. Nachdem das Land ab 2011 den Kommunen jährlich 350 Millionen Euro entzogen habe, hätten sich alle „nach dem Alsfeld-Urteil gefreut“. Doch zu früh. Denn die dort geforderte Bedarfsermittlung habe sich als reine Augenwischerei herausgestellt. Die endgültige KFA-Summe sei bereits im Haushalt eingestellt gewesen, bevor der Bedarf überhaupt klar war. Somit wurde alles laut Kummer „passend gerechnet“.

Der SPD-Kandidat lässt das Argument nicht gelten, das Land habe selbst kein Geld. „Es ergreift auch keine Initiative, um mehr Mittel zu bekommen“, kritisiert er. Es gebe keine Bundesrats-Initiativen zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder der Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Der horizontale Finanzausgleich, nämlich dass „reichere“ Kommunen in den Gesamt-Topf einzahlen sollten, ist für ihn eine Mogelpackung. Die Landesregierung praktiziere hier genau das, wogegen sie beim Länderfinanzausgleich zu Felde ziehe. Gerald Kummer kommt sich vor diesem Hintergrund manchmal „ziemlich veräppelt vor“.

Es sei „frech“ zu behaupten, die Gemeinden könnten nicht mit Geld umgehen, wenn in 15 Jahren CDU-Regierung die Landesschulden von 15 auf 42 Milliarden Euro gestiegen seien. Freiwillige Ausgaben etwa im Kreishaushalt lägen im Prozentbereich. Und die in der Verfassung genannten freiwilligen Einnahmequellen wie Grund- oder Gewerbesteuer müssten die Kommunen für die Erfüllung von Pflichtaufgaben verwenden – „ein Widerspruch zur Verfassung“. Bei einer KFA-Verabschiedung in dieser Form „muss wieder der Klageweg beschritten werden“, ist Kummer sicher. Denn die Gelder reichten nicht mehr aus, um „die kommunalen Ausgaben leisten zu können“. Landrat Wilkes habe das Handtuch geworfen, weil es innerparteiliche Querelen zu seinen Ansichten als Anwalt des Kreises gegeben habe.

Wie sehr KFA und Schutzschirm auf den Nägeln brennen, zeigte sich auch daran, dass neben den beiden Bürgermeistern Rainer Sens und Herold Pfeifer auch der 1. Stadtrat aus Hirschhorn, Karl-Heinz Happes, und der Neckarsteinacher Stadtverordnetenvorsteher Ralf Kern der Einladung gefolgt waren. Moderiert wurde die Veranstaltung von der früheren Hirschhorner Bürgermeisterin und jetzigen SPD-Kreistagsabgeordneten Ute Stenger.

Die gab auch die Marschrichtung vor: Das Agieren der Landesregierung nach dem Alsfeld-Urteil wertete sie als „Mängelverwaltung“. Die Gemeinden müssten sich „richtig handfest wehren“. Da sämtliche Proteste aus den Städten und Gemeinden in Wiesbaden verpufften, „bleibt nichts anderes übrig, als eine Sammelklage anzustreben“, so Stenger. Ihr pflichtete Kummer bei: Die Verweigerung nach oben, aber gleichzeitig auch die Solidarität unter dem Kommunen „ist der letzte Weg“. Und natürlich ein entsprechendes Kreuzchen bei der Wahl, so Kummer augenzwinkernd.

Denn die Landesregierung schaue sehr genau auf den Ausgang der Landratswahl am 22. März. Deshalb gelte es die Bürger dafür zu sensibilisieren, dass auch sie es in der Hand hätten, wie es in Zukunft um die örtlichen Steuern und Gebühren bestellt sei. Deren Anhebung werde von oben verordnet, sei es durch Schutzschirm oder durch Erlass, machte Hirschhorns Rathauschef Sens deutlich. Das sei eine „politische Erpressung“, die in anderen Branchen als Straftat gewertet würde.

Überhaupt nahm der Bürgermeister kein Blatt vor den Mund: Schwarze Null und Schuldenbremse auf Bundes- und Landesebene sind für ihn eine „Scheinsanierungspolitik“. Denn ganz unten, in den Gemeinden, gäbe es deswegen einen (investitions-)Schuldenaufbau in Form von Schlaglöchern oder verfallenden städtischen Gebäuden (etwa das „museale“ Bürgerhaus von 1972, wie es Sens nannte). Beim horizontalen Finanzausgleich im Rahmen des KFA werde versucht, die Kommunen gegeneinander auszuspielen: Für Sens eine „fiese Masche“.

Sein Neckarsteinacher Kollege Pfeifer machte Werbung für die Webseite der Vereinigung zur Rettung der kommunalen Selbstverwaltung (www.vrks.org), auf der sich Kommunalpolitiker als Unterstützer eintragen lassen könnten (beide Rathauschefs des hessischen Neckartals sind schon dabei, unter anderem auch Jürgen Kaltwasser aus Lautertal) und die wichtige Hintergrund-Infos gebe.

Kummer stellte sich dem interessierten Publikum vor: Er sei 56 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder. Von 1993 bis 2010 sei er dreimal direkt zum Bürgermeister von Riedstadt im Nachbarkreis Groß-Gerau gewählt worden. „Eine lange Zeit, in der ich Erfahrungen im Führen einer Verwaltung sammeln konnte.“ Anschließend sei er drei Jahre lang stellvertretender Landrat gewesen. „Die Kreispolitik war mir schon vorher in über zehn Jahren als Kreistagsabgeordneter nicht fremd.“ Seit 2013 sei er Mitglied des hessischen Landtages und arbeite dort unter anderem im Haushaltsausschuss und im Europaausschuss mit. Jetzt ziehe es ihn zurück in eine Position, wo er wieder gestaltend wirken könne.

Ein „Stichjahr“ 2011 für die Berechnung der kommunalen Bedarfe ist für Kummer an der Realität vorbei gedacht. Denn schon damals hätten die Gemeinden gespart wo es nur ging, somit bilde das Jahr nicht die tatsächlichen Bedarfe ab. Und wenn das Land dann noch hergehe und zehn Prozent als nicht angemessen betrachte, dann stimme die Rechnung schon drei Mal nicht. Alle drei kommunalen Spitzenverbände seien sich einig, dass 500 Millionen Euro im großen Topf fehlten.

Der SPD-Politiker ist sicher, dass von der Landratswahl im Kreis „ein Signal ausgehen wird, ob sich die Menschen das gefallen lassen“. Ein neuer Landrat müsse der Landesregierung Paroli bieten können, ohne parteipolitische Rücksicht nehmen zu müssen, ergänzte er. Ohne eine starke Stimme in Wiesbaden „gehen die Gemeinden vor die Hunde“.

Schutzschirmkommunen wie Hirschhorn sah Kummer „unter der Knute des Landes“. Es würden nur Schulden abgelöst, ohne die Ursache der Schulden anzugehen: Zu viele Aufgaben wurden vom Land an die Gemeinden übertragen. Hessen habe mit 75 Prozent den höchsten Kommunalisierungsgrad in der ganzen Bundesrepublik – ohne aber die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Ein gutes Beispiel hierfür sei die Kinderbetreuung.

Ein Bericht über den Besuch der Hirschhorner Feuerwehr folgt.

DSC_0676