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Waren gehen aus dem Ulfenbachtal in die ganze Welt

An der Berliner Flughafenbaustelle für Innenarchitekten eine Schulung zum Thema Brandschutz durchführen: Das hat was. Denn unter anderem der Brandschutz ist es ja, der die Eröffnung in weite Ferne rücken lässt. Auf diese ungewöhnliche Idee kam man bei der Hirschhorner Firma Dekodur, einem alteingesessenen Familienbetrieb in achter Generation und Spezialisten für anspruchsvolle Schichtstoffplatten. Geschäftsführer Volkmar André erzählte dieses Schmankerl beim Besuch des SPD-Landratskandidaten Gerald Kummer im 100 Mitarbeiter zählenden Betrieb.

Vom Sägewerk mit Lachsfang zum global agierenden Konzern: André hatte einige Geschichten auf Lager, wie sich der 1846 gegründete Hirschhorner Betrieb am Ulfenbach knapp 170 Jahre später weltweit behauptet. Nicht immer machen die Andrés in den verschiedenen Ländern positive Erfahrungen, aber letztendlich überzeugt die Kunden das, für das „Made in Germany“ steht: Qualität und Innovation.

Die erste Furnierkreissäge mit einem Durchmesser von 2,40 Meter drehte sich in dem kleinen Tal, nach dem Krieg wurden Odenwaldhölzer geschält und gemessert. Bis etwa 1980 war dieser Geschäftszweig vorherrschend, so Andrés Rückblick. Dann wurde der Markt aufgrund der vielen Hölzer aus außereuropäischen Ländern immer schwieriger. Gleichzeitig hätten Kunststofffurniere und imprägnierte Papiere „dramatisch zugenommen“.

Dekodur reagierte darauf: Die Produktpalette wurde umgestellt Richtung Duroplaste. Mit großen Wettbewerbern wie Formica und Resopal könne man aufgrund Kapazität und Lage sowieso nicht mithalten, erläutert Volkmar André. Deshalb setzt Dekodur auf Spezialisierung und imprägnierte Papiere für die Spanplattenindustrie. Mit Erfolg.

Die Finanzkrise von 2008 schlug auch in den Odenwald durch. Denn die Exporte von Dekodur gehen zu 50 Prozent auf den Weltmarkt in Länder wie China, Japan oder die USA, Europa noch gar nicht mitgerechnet. Im ostasiatischen Raum habe man wie andere deutsche Firmen auch mit Raubkopien zu kämpfen, so Volkmar André. Deshalb ging LG 2013 als Kunde verloren. „Unsere Chance liegt in der Innovation“, sagt der Geschäftsführer. Wenn das entsprechende Produkt erfolgreich sei, gehe das Spielchen aber wieder von vorn los.

Für Dekodur ist nach den Worten von André deshalb der sogenannte „Aftermarket“ interessant. Was bedeutet, dass Interessenten dann auf deutsche Qualitätsware zurückgreifen, wenn die Verwendung von Billigprodukten aus Fernost in die Hose gegangen ist. „Sehr gerne“ verhandelt der 74-Jährige mit Japanern. „Die sind worttreu“. Mit großen Konkurrenten arbeite man partiell zusammen, so etwa Wilson Art oder Nippon Mining. Denn für diese sei das Dekodur-Segment zu aufwendig im Betrieb. Zwei Mal im Jahr geht’s zu den Kunden in wichtigen Ländern auf der ganzen Welt.

Wie andere Firmen kämpft Dekodur mit der Bürokratie. André erläuterte dies am Beispiel einer Neuentwicklung, einer Schichtstoffplatte mit der Brandschutzklasse A1, im Verbund mit einer Knauf Rigipsplatte. Die Papierfasern würden hier zum großen Teil mit Glasfasern ersetzt, womit der brennbare Teil sehr gering werde. Da aber die Prüfung in jedem Land unterschiedlich sei, jede Farbe und jede Struktur extra geprüft werden müssten, gehe das kräftig ins Geld. 35 Dekore à 3000 Euro, jeweils auch eine Brandzulassung à 6000 Euro – das läppert sich.

Oder der Brandschutz: Was 27 Jahre lang in Ordnung war und jedes Jahr so abgenommen wurde, solle nun aufgrund neuer Verordnungen teuer nachgerüstet werden. 100.000 Euro müsse man dafür in die Hand nehmen. In der EU sieht Volkmar André durch die entsprechenden Lobbyverbände vor allem die Großunternehmen repräsentiert. Wo die Kleinen der Schuh drücke, bekomme kaum jemand richtig mit. Außerdem ist ihm die Regulierungswut ein Dorn im Auge. „Wir müssen den Humbug der Legislative ausbaden.“

2014 gab es bei Dekodur die größte Investition der jüngeren Geschichte. Eine Veränderung in der verwendeten internationalen Maßeinheit machte das nötig: Was früher 4 mal 8 Fuß war, ist heute 4 x 10 Fuß. Deshalb musste eine neue Presse her. Was gleichzeitig 60 Prozent mehr Produktionskapazität bedeutet. Neu würde die sechs Millionen Euro kosten, erläutert André, er bekam sie aber gebraucht günstiger von einem Wettbewerber. „Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg“, die dort erzeugten Kapazitäten auf dem Markt unterzubringen.

Die Familie André hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kunst auch weiteren Bevölkerungsschichten als den Wohlhabenden nahe zu bringen. „Wir wollen sie ins alltägliche Leben integrieren“, so André. Statt Digitaldruck mal ein befreundeter französischer Künstler die Dekore noch mit Hand. „Das wollen wir am Leben erhalten“.

Produkte von Dekodur findet man in aller Welt. Hierzulande sind viele schon einmal daran vorbeigegangen, merkten aber nicht, dass es sich um ein Produkt aus Hirschhorn handelt. So stattete die Firma zum Großteil die Postbank-Filialen mit handgemalten Gemäldefolien aus. Oder Beispiel China. Hier lieferte man für Starbucks eine nagelneue Innovation:  eine Schichtstoffplatte, die nicht mehr auf Rohöl basiert, sondern für die Furanharze aus Zuckerrohr verwendet werden. Laut André ist China in der Verwendung von ökologischen Materialien inzwischen um einiges fortschrittlicher als Deutschland. Ein altes Bild hängt auch im Gebäude: Darauf ist zu lesen, dass aus dem Furnierwerk Hirschhorn das Bembé-Intarsien-Parkett für den Thronsaal des letzten abessinischen Kaisers und äthiopischen Herrschers Haile Selassie stammt.

Gerald Kummer zeigte sich tief beeindruckt von der Dekodur-Firmengeschichte. Selbst in kleinen Odenwald-Gemeinden seien Weltmarkt-Firmen beheimatet. Und Unternehmer, „die das Wort wirklich leben“, sagte Kummer. Wenn Firmenchefs nachhaltig und langfristig agierten, zahle sich das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus. „Es muss nicht alles geregelt werden“, meinte er mit Blick auf die vielen Gesetze. Er forderte, dass die Parlamentarier auch die Verordnungen lesen müssten, die sie verabschiedeten.

Ein Rundgang über das Firmengelände, das sich auf mehreren hundert Metern entlang des Ulfenbachs erstreckt, rundete den Besuch ab. Dabei kamen die Besucher, darunter auch die frühere Bürgermeisterin Ute Stenger und SPD-Ortsvereinsmitglied Erika Oelkers, an einer Besonderheit vorbei: André zeigte ihnen ein Unesco-gefördertes Projekt. Die Rinde des Feigenbaums wird als Material verwendet und damit diese alte Art der Fliesherstellung wieder aufgegriffen. Dekodur nehme viele von den in Handarbeit erstellten Produkten ab und stelle daraus ganz besondere Schichtstoffe her.