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Haushaltsrede zum Hirschhorner Etat 2020 von Thomas Wilken

Anmerkung: Leider wurde der Haushalt inklusive einer Grundsteuererhöhung auf 700 Prozentpunkte in der Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen von CDU und Profil gegen die SPD beschlossen.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich freue mich dass sie in so großer Zahl zu dieser wichtigen Sitzung erschienen sind. Denn heute geht es ja konkret um Ihren Geldbeutel, ob sie noch höher mit Steuern belastet werden, als es sowieso schon der Fall ist. Wir von der SPD wollen alles tun, damit dies nicht passiert und haben deshalb auch verschiedene Einsparungsmöglichkeiten aufgezeigt.

 Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im zerfaserten Rund, die SPD wurde in den vergangenen beiden Wochen – als eine kritisch hinterfragende Fraktion – in einer Weise angegangen, die ich als unschön empfinde. Warum? Weil einem nicht passt, was von der anderen Seite gefragt wird, oder dass diese eben eine andere Meinung hat als man selbst?

 Ich kann mich erinnern, dass nach der Bürgermeister-Abwahl vor ein paar Jahren die Rede davon war, dass man doch etwas höflicher miteinander umgeht. Ich denke, es sollte doch jeder Fraktion selbst überlassen bleiben, wann und wie sie ihre Überlegungen einbringt. Sind wir denn hier in der Schule, wo der Oberlehrer sagt, bis übermorgen müsst ihr eure Hausaufgaben erledigt haben?

Wir sind ehrenamtliche Parlamentarier, die alles in ihrer Freizeit beackern. Manche haben vielleicht mehr Freizeit, manche weniger. Erst warf man uns vor, sich nicht beteiligt zu haben, dann waren die Fragen zu pauschal und dann zu ausführlich. Was denn nun?

Immerhin wissen wir es jetzt, dass es insgesamt 37 Fragen waren. Da soll dann noch mal einer von Verweigerung reden. Vielen Dank der Verwaltung für die kurzfristige Bearbeitung dessen, was möglich wäre  

Wir haben uns gründlich Gedanken über alles gemacht. In manchen Augen haben wir uns ja vielleicht auch zu gründlich Gedanken gemacht. Denn wir haben vieles hinterfragt, was bisher überhaupt noch nicht hinterfragt wurde. Aber wenn es darum geht, dass alle Bürger von einer Grundsteuererhöhung betroffen wären, dann sollte man doch überlegen, welche freiwilligen Leistungen relativ wenigen Bürgern zugutekommen. Und ob die nicht vielleicht darauf zugunsten aller verzichten können.

Man hätte auch in der Verwaltung weiterdenken können und angesichts der Finanznot den neuen Bauamtsleiter erst zum 1.1.21 einstellen können. Damit hätte man einen Haufen Geld gespart, auch wenn in der Antwort auf unsere Frage wortreich dargelegt wird, warum es die Überlappung geben muss. In Eberbach zeigt man uns, dass es auch ein Jahr ohne Amtsinhaber funktioniert. Dort werden dadurch 70.000 Euro eingespart.  

Die Entwicklung hat gezeigt, dass wir genau zum richtigen Zeitpunkt überlegt haben. Denn in vier Änderungslisten, die letzte von heute, hat der Magistrat die bisherigen Haushaltszahlen quasi in die Tonne gekloppt. Und das lag nicht alles nur an Corona, es kamen noch viele andere Posten dazu, die überhaupt nichts damit zu tun haben. Wer sich somit vorher damit beschäftigte, der hat mit alten Zahlen operiert und konnte gerade noch mal von vorne anfangen.

Und übrigens zum Thema, die SPD sei mit ihren Fragen spät dran gewesen: Wenn wir ehrenamtlichen Stadtverordneten am Tag vor und am Tag der Sitzung schon wieder eine umfangreiche Liste mit zahlreichen Änderungen bekommen, dann frage ich mich, wer denn eigentlich jetzt im Glashaus sitzt.

 Wir haben uns in der Fraktion sowieso gefragt, warum einige Sparvorschläge, wie sie jetzt von allen drei Fraktionen auf dem Tisch liegen, nicht auch von Verwaltungs- oder Magistrats-Seite vorgeschlagen wurden. Die Aussage im Ausschuss war mehr oder weniger, man fand nichts mehr zum Einsparen, deshalb müssen die Steuern hoch. Und wieder weise ich darauf hin, dass wir ehrenamtlich tätig sind und es natürlich gerne sehen würden, wenn die hauptamtlich damit Beschäftigten sich ebenfalls einen Kopf machen, wie man eine bisher im Raum stehende horrende Grundsteuererhöhung im Sinne der Bürger vermeiden kann.

 Stattdessen durften wir uns in den vergangenen Wochen einen Kopf machen. Und sollten jetzt auch den Kopf dafür hinhalten, wenn die Steuer steigen würde. Ich frage mich, warum erst jetzt die freien Finanzmittel in den Berechnungen konkret aufgetaucht sind. 

Denn hätte man diese Mittel, sogar nicht in voller Höhe, von Anfang an mit eingeplant, dann wäre eine Grundsteuererhöhung nach alten Zahlen gar nicht nötig gewesen. Dann wären doch jegliche Diskussionen darüber obsolet gewesen. 

 Mit dem Gewerbesteuereinbruch wegen Corona müssen wir jetzt natürlich voll auf die freien Mittel zurückgreifen. Dennoch sollten wir es schaffen, wenn alle Einsparvorschläge der Fraktionen zusammengenommen werden, den Haushalt in diesem Jahr auszugleichen.

 Da wir davon ausgehen können, dass der Haushalt wahrscheinlich erst im Spätsommer genehmigt wird, falls nicht die Behörde noch irgendetwas auszusetzen hat, dann werden wir sowieso nicht in die Versuchung kommen, zu viel auszugeben. Von daher lässt sich bestimmt die eine oder andere Investition oder Ausgabe ins kommende Jahr schieben. Entsprechenden haben wir in unseren Vorschlägen eingebracht.

Was nächstes Jahr kommt, weiß heute noch keiner. Vielleicht gibt es ja den Schutzschirm für Kommunen, den SPD-Finanzminister Olaf Scholz vorgeschlagen hat. Natürlich nur, wenn die CDU auf Länder- und Bundesebene mitzieht.

Deshalb halte ich auch nichts davon, in der mittelfristigen Finanzplanung wieder irgendwelche Grundsteueranhebungen zum Haushaltsausgleich mit aufnehmen zu wollen. Es kann alles passieren, nach unten oder nach oben. Reagieren wir also kurzfristig und schreiben wir uns nicht wie vergangenes Jahr schon einen Zwang zum Handeln vor.

Sollte es aber wieder knapp werden, was in Hirschhorn ja sehr wahrscheinlich ist, dann wünsche ich mir, auch wenn noch nicht Weihnachten ist, mit der Einbringung eines möglicherweise defizitären Etatentwurfs gleich ein paar Vorschläge, wo möglicherweise eingespart werden kann. Natürlich müssen die Stadtverordneten die politische Entscheidung dazu treffen, aber die Verwaltung könnte im Vorfeld bereits ihre Hausaufgaben machen und somit ein fröhliches Zahlenkürzungssuchspiel vermeiden.

Denn die Definition, wann eine Grundsteuererhöhung erfolgen kann, ist doch klar. Sie ist die ultima ratio, wenn wirklich keine Einsparungen mehr möglich sind und nichts mehr auf Folgejahre geschoben werden kann. Dass dies in diesem Jahr nicht zutrifft, haben die verschiedenen Einsparvorschläge gezeigt. So sollten wir auch weiterhin vorgehen. Auch wenn es knirscht und weh tut, muss der Haushalt ausgewrungen werden wie ein nasser Putzlappen, bis auch der letzte Tropfen an möglichen Einsparungen aufgefangen ist, bevor an eine Steuererhöhung überhaupt gedacht wird.

Es gibt viele Beispiele dafür, wieso ich nicht einsehe, dass die Hirschhorner dafür gerade stehen sollen, wenn das Land uns Kosten ausdrückt. Das hessische Kinderförderungsgesetz brachte etliche Auflagen mit sich, die die Kommunen erfüllen und bezahlen müssen. Da fragt keiner, wo sie die Mittel dafür hernehmen. Ein anderes schönes Beispiel ist die Heimatumlage, die in den letzten Magistratsänderungszahlen jetzt mit über 60000 € aufgetaucht ist. Ursprünglich war ja eine erhöhte Gewerbesteuerumlage zur Mitfinanzierung der Deutschen Einheit angedacht. Diese lief nach 30 Jahren aus.

Aber statt dass die Kommunen nun die volle Summe wieder selbst behalten können, langt das Land Hessen mit seinen klebrigen Fingern zu und behält 75% erst einmal ein. Die werden dann über irgendwelche Förderungen und Zuschüsse angeblich wieder ausgezahlt, aber natürlich nur dann, wenn es passt und wenn die entsprechenden Anträge dafür gestellt werden. Also kann man sicher davon ausgehen, dass ein größerer Teil dieser 60.000 € nicht in Hirschhorn ankommen wird. 

Einen weiteren Punkt nannte der Bürgermeisterin der Ausschusssitzung selbst: Ohne die entsprechenden Änderungen zum 1.1.19 hätte man alten Haushalt (vor Corona) ausgeglichen gestalten können. Bester Beweis dafür, dass es rein die Vorgaben vom Land sind, die ihn in die Miesen bringen und für Grundsteuererhöhung verantwortlich sind.

Nochmal Bürgermeister im Ausschuss: Frühere Generationen hätten es verbockt, dass heute Hirschhorn viele Schulden hat (u.a. Sporthallenbau). Das mag schon sein, aber trotzdem kann ich jetzige und kommende Generationen dafür nicht bluten lassen durch eine Steuererhöhung. 

Der Kampf gegen die Grundsteuererhöhung mag, so könnten es vielleicht einige unter ihnen sehen, ein Kampf gegen Windmühlen sein. Aber ich kann ihnen versichern, wobei das manche möglicherweise als Drohung auffassen könnten, ich lasse als Hirschhorner Don Quichotte darin nicht nach. 

Somit können Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich darauf freuen oder sich davor fürchten, dass es mit mir auch kommendes Jahr keine Erhöhung geben wird. Aber wir habe ich schon vorhin gesagt: Wer weiß schon, was kommendes Jahr sein wird. Hoffentlich keine Kontaktsperren, kein Mundschutz und kein Corona mehr. Ich glaube, darauf können wir uns alle einigen.

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